REDE ZUR AUSSTELLUNG
STILLES WANKENDES LEBEN
BARBARA RÜTH
KUNSTWISSENSCHAFTLERIN
GALERIE LA BOHÈME
BERLIN
PRENZLAUER BERG
2018
REDE ZUR AUSSTELLUNG
STILLES WANKENDES LEBEN
BARBARA RÜTH
KUNSTWISSENSCHAFTLERIN
GALERIE LA BOHÈME
BERLIN
PRENZLAUER BERG
2018
In der Ausstellung waren vorwiegend gemalte Stillleben und Arbeiten auf Papier aus dem Jahre 2017/18 dargestellt.
Aber von still kann keine Rede sein. Sie folgen lediglich dem Sachbegriff des versammelten Gegenständlichen auf einer Fläche. Aber die Dinge führen ein Eigenleben.
Es scheint als bewegen sie sich auf schwankendem Boden. Nichts scheint sicher und immer wieder muss um die Balance gerungen werden. Sie tanzen einen akrobatischen Reigen wo das Feste und das Leichte einander abwechseln.
Es wird ein ganzes Arsenal an elementaren Formen und Figuren eingesetzt und miteinander ins Verhältnis gebracht. Wir begegnen einer Fülle an Phantasiegebilden, ganz aus dem Kosmos der Künstlerin geboren.
Es ist als käme hier das Wesenhafte der Dinge zum Ausdruck, die in geheimnisvoller Korrespondenz zueinander stehen. Sie alle sind weniger realistisches Abbild, sondern in der Abstraktion Zeichen für etwas Allgemeines.
Auch beim Raum dominiert nicht die Illusion, sondern folgt seiner ganz eigenen bildhaften Gesetzmäßigkeit.
Der Blick in den eigenwillig aufgeklappten Raum schafft Nähe und Distanz zugleich und ist eine Referenz an die Moderne, die begonnen hatte das Dogma der Zentralperspektive aufzubrechen. Es sind magische Räume, die sich letztendlich unser Deutung entziehen.
Die Freude am Neuen zieht sich durch ihr ganzes Schaffen, bis hin zur Zerstörung oder Übermalung der alten Bilder. Sie ist immer eine Suchende, eine glückhaft Findende und sich neu Verortende.
So zeigt sie jedes Jahr in den unterschiedlichsten Galerien immer völlig neue Arbeiten mit neuen Themenfeldern. Wobei sich die Struktur nicht grundsätzlich verändert, aber doch immer wieder neue Sichten austariert werden.
Heidemarie Woitinek erhielt ihre ersten prägenden Eindrücke, als sie in die Rostocker Kunstszene um den Plastiker Jo Jastram, dessen Schülerin sie wurde, eintauchte.
Ihre langjährige Partnerschaft mit dem Maler Johannes Müller und ihre gemeinsame Freundschaft zu dem Usdomer Maler Otto Niemeyer-Holstein bereiteten Ihrem Studium in Berlin den Weg. Dort gehörte sie bald in das Umfeld der ”Berliner Schule”.
Zusammen mit ihrem langjährigen Lebenspartner und Maler Manfred Böttcher gehörten sie zu der Malergeneration, die in den 60iger Jahren begann sich von der erwarteten Abbildfunktion des sozialistischen Realismus zu lösen.
Sie suchten nach der Eigengesetzlichkeit der Malerei, wobei Cezanne und die klassische Moderne ihre Meister wurden.
Jeder der Künstler fand aus dieser Grundhaltung heraus andere Wege. So auch Heidemarie Woitinek, die in gewisser Weise in diesem Kreis eine Außenseiterin blieb.
Sie suchte nicht nach der bedeutungsvollen Setzung, sondern wandte sich der sinnlichen und dekorativen Komponente der Kunst zu, die zum Beispiel in den 70iger Jahren in großen Textilcollagen ihren Ausdruck fand.
BARBARA RÜTH